21.03.2024

Heiliger Oscar Romero und seliger Rutilio Grande

Wie Märtyrer zu Symbolfiguren für soziale Gerechtigkeit und Wandel wurden

Menschenrechte und Solidarität – dafür steht San Oscar Romero ganz besonders, meint Roberto Rodríguez, Leiter von Fundesyram in El Salvador, einer Partnerorganisation von Bruder und Schwester in Not. Der 2018 heiliggesprochene Erzbischof El Salvadors Oscar Romero wurde am 24. März 1980 auf Befehl des Militärregimes während eines Gottesdienstes ermordet. Bis heute sind Oscar Romero und seine Weggefährt:innen oder Vorgänger:innen wie P. Rutilio Grande SJ in El Salvador präsent und für viele Menschen Vorbild und Antrieb zu zivilgesellschaftlichem Engagement. „Mich kann man töten, nicht aber die Stimme der Gerechtigkeit,“ ist ein bekannter Ausspruch Oscar Romeros.

Militärputsch und Niederschlagung jedes Widerstands

Die Geschichte dieses Engagements geht in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurück. Kaffee-, Baumwolle- und Zuckerproduktion hat in El Salvador eine noch längere Tradition. Mit der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre bricht der Kaffeepreis ein, was für zahlreiche Menschen Arbeitslosigkeit, für die kleinbäuerlichen Familien wirtschaftlichen Ruin bedeutet. Soziale Unruhen sind die Folge.

1932 kommt es zu einem Militärputsch und über Jahrzehnte bleiben Angehörige des Militärs die Präsidenten. Unruhen werden aufs Brutalste niedergeschlagen. Die Ermordung von über 20.000 Kleinbäur:innen etwa ist in die Geschichte El Salvadors als „La Matanza“ – („das Gemetzel“) eingegangen.

Als Anfang der 70er Jahre der Preis auf den Weltmarkt steigt, nutzen Großgrundbesitzer das zur massiven Expansion der Anbauflächen. Kleinbäuerliche Betriebe werden verdrängt oder die Familien zur Abwanderung in die Städte gezwungen. Doch die Arbeitsbedingungen in den Städten sind mit niedrigen Löhnen, Verbot gewerkschaftlichen Engagements für Arbeiter:innen ebenso schlecht wie auf ländlichen Plantagen.

Bis heute sind Bilder von Oscar Romero und seinen Weggefährt:innen überall in El Salvador präsent.

Christliche Basisgemeinden werden Keimzellen sozialpolitischen Engagements

In den ländlichen Gebieten sind zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Christ:innen in Basisgemeinden organisiert. Diese Erfahrung der Selbstorganisation bewegt Arbeiter:innen dazu, sich auch in anderen Bereichen zu organisieren, um ihre Rechte einzufordern: Trotz des Verbots und massiver politischer Gewalt entstehen in den Städten Gewerkschaftsbewegungen. In dieser Situation sprechen 1972 Generäle im Bündnis mit Großgrundbesitzern der christdemokratischen Reformpartei den Wahlsieg ab und manipulieren die nächste Wahl 1977.

Mit der Zunahme an Repressionen und staatlicher Gewalt radikalisieren sich auch ursprünglich sozial ausgerichtete Bewegungen. Aus einigen Strömungen entstehen Ende der 1970er Jahre Guerillagruppen.

Wer sich nicht auf die Seite des Militärregimes stellt, ist der Verfolgung und massiver Repressionen ausgesetzt. Zahlreiche Priester, Laienseelsorger:innen und engagierte Christ:innen werden aufgrund ihres Engagements gefoltert, ermordet oder verschwinden. Am 12. März 1977, die manipulierten Wahlen liegen gerade erst einige Wochen zurück, fallen der Jesuit Pater Rutilio Grande und seine beiden Begleiter:innen einem Todesschwadron zum Opfer und werden damit zum Auslöser einer Kette von Ereignissen.

Ein politischer Mord als "Bekehrungserlebnis" für Romero

Für den gerade erst zum Erzbischof ernannten Oscar Romero wird dieser politische Mord an seinem Freund zum „Bekehrungserlebnis“, das aus einem konservativen Geistlichen einen mutigen Prediger macht, der sich für die Rechte der Armen einsetzt. "Rutilio hat mir die Augen geöffnet“, soll er später darüber sagen, "Wenn sie ihn umbringen, für das, was er getan hat, dann muss ich denselben Weg gehen!". Über 100.000 kommen zur Gedenkmesse, bei der der Erzbischof die Mörder benennt und Veränderungen fordert.

In den drei Jahren danach wird Romero zur Stimme derer, die sich Veränderungen wünschen. Sonntag für Sonntag nutzt er seine im Radio übertragenen Predigten, Ungerechtigkeiten anzuprangern und die politische Situation anzuprangern. „Als prophetische Kirche können wir in einer derart ungerechten Welt nicht schweigen!“, sagt er. Eine Sonntagsmesse ist es auch, in der ihn am 24. März 1980 ein gedungener Scharfschütze vom Kircheneingang aus erschießt.

„Mich kann man töten, nicht aber die Stimme der Gerechtigkeit.“ -Wie wahr: Die Botschaft Oscar Romeros hat an Aktualität kaum verloren. Zwar wurde der Bürgerkrieg 1992 durch die Friedensverträge von Chapultepec formell beendet, doch ist die Situation in El Salvador nach wie vor durch extreme soziale Gegensätze, fehlende Perspektiven und eine der höchsten Verbrechensraten Lateinamerikas gekennzeichnet. Romeros Geist allerdings ist an vielen Orten spürbar: So etwa für die Projektpartner von Bruder und Schwester in Not in El Salvador, für die er Vorbild und Hoffnung bedeutet. Gemeindekliniken und Bildungszentren sind nach ihm benannt, sein Bild erscheint auf Hauswänden und Dorfkirchen. „Romero vive“- Romero lebt in den Herzen der Menschen.

Bilder des Hl. Oscar Romero (v.l.n.r.): klassisch, auf einer Dorfkirche und am Grab des Märtyrers.